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Walter Benjamin

„Die Ferne, wenn es schneit, führt nicht mehr ins Weite, sondern ins Innere.“

„Die Ferne, wenn es schneit, führt nicht mehr ins Weite, sondern ins Innere.“

Diese Empfindung Walter Benjamins lässt sich treffend übertragen auf die künstlerische Position des Malers Frank Krämer.

 

Dessen großformatige Landschaften sind immer gleich in ihrem klaren, einfachen Aufbau: Die Fläche des Erdbodens oder des Wassers, die sich bis zum Horizont erstreckt, darüber der Himmel. Das Meer, die Eisflächen, die Felder, die der Maler auf seinen Spaziergängen oder Reisen gesehen und erlebt hat, erscheinen auf den ersten Blick unspektakulär. Nicht die topographisch genaue Gestalt einer Landschaft, nicht das konkrete Abbild des Gesehenen wird dargestellt. Vielmehr thematisiert Krämers Malerei in stark reduzierter und verdichteter Form die Summe seiner intensiven Wahrnehmungen, seiner sinnlichen Eindrücke. Es ist das Zusammenspiel von Himmel, Erde, Wasser, Licht und Atmosphäre, und es sind vor allem die Auswirkungen der Landschaft auf sein inneres Erleben, die in seinen Bildern spürbar werden.

 

Vermittler solcher Empfindungen ist in erster Linie die subtile Farbigkeit. Durch zahlreiche Lasuren entstehen vielschichtig überlagerte, transparente Ebenen, die in einem beharrlichen Malprozess, der sich über Wochen, oftmals Monate hinzieht, aufgetragen werden. Ähnlich einer geologischen oder atmosphärischen Schichtung wird das Bild „gebaut“ und entfaltet dadurch seine ganze Farbigkeit. Vordergründig scheint diese auf wenige Töne begrenzt, oder bisweilen sogar monochrom angelegt zu sein. Beim geduldigen Betrachten aber entpuppt sie sich als äußerst differenziert und variationsreich. Krämer verwendet Ölfarbe, die für ihn aufgrund ihrer Zusammensetzung den lebendigsten, natürlichsten Klang besitzt. Sein locker bewegter Pinselduktus bleibt bewusst auf der Oberfläche der Leinwand sichtbar und lässt Strukturen wie Gras, Wellen, Erdschollen oder Wolkenanhäufungen erahnen, ohne sie zum konkreten Detail auszuarbeiten. Ähnlich zurückhaltend bleibt die Raumkonstruktion, die häufig nur mit wenigen, eher schemenhaft ausgeführten Fluchtlinien perspektivische Tiefenwirkung suggeriert.

 

Landschaft wird transformiert zum abstrakten Farbraum, der den Betrachter in die Tiefe hineinzieht, geradezu einsaugt. Gleichzeitig entstehen durch die vielen schleierartigen Farbschichten immer wieder dezente Brüche in dieser unendlichen Weite. Sie holen den Betrachter zurück in die Nähe und damit zu sich selbst. Zum unmittelbaren sinnlichen Erfahren von Farbe und Raum.

 

Frank Krämers Landschaften sind eine stille Gegenposition zu der hastigen, kurzlebigen Bilderflut unserer Zeit. Sie geben dem sensiblen Betrachter im wahrsten Sinne des Wortes Raum, Raum für inneres Erleben.

 

Wolfgang Hein

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